Der spirituelle Weg

“Jeder von uns ist ein einzigartiges Wesen mit sehr individuellen Eigenschaften, Empfindungen, Gedanken und Fähigkeiten. Diese Einzigartigkeit zu entdecken und zu leben, scheint auf den ersten Blick selbstverständlich, auf den zweiten Blick aber eine Lebensaufgabe zu sein.” DJ

Am Anfang jeder spirituellen Suche steht das unbestimmte Gefühl, nicht das zu sein, was man wirklich ist. Man ist plötzlich nicht mehr völlig mit diesem Körper und diesem Ich-Bewusstsein identifiziert und spürt den unerklärlichen Drang, etwas zu entdecken, das Körper und Geist umfasst und über beide hinausgeht. Manche beginnen im Außen nach Lehrern, Ideologien und Konzepten zu suchen, um das gleichzeitig entstehende Gefühl der Leere zu befriedigen. Andere wenden sich nach Innen und beginnen damit, sich selbst zu erforschen.
Das ist der erste Schritt zu wirklicher SELBST.Erkenntnis. Das eigene Bewusstsein wird zum Gegenstand der Erforschung. Man richtet die Aufmerksamkeit auf das Ich-Gefühl und alle Erscheinungen, Erfahrungen, Gedanken und Gefühle, die damit verbunden sind. Das Subjekt, der Erfahrende selbst, wird durch die Frage: „Wer bin ich wirklich?“ beleuchtet. Dabei entwickeln sich mit der Zeit Unterscheidungskraft = viveka, die Fähigkeit, die wahre Natur von der falschen Identifikation zu unterscheiden, und Losgelöstheit= vairagya, die Auflösung von Verhaftungen, von Verlangen und Angst, mit anderen Worten das Loslassen des Bedürfnisses nach Objekten zu greifen und an ihnen festzuhalten.

Selbst.Beobachtung, Introspektion, bedeutet Selbst-Gewahrsein. Gewahrsein ist nicht Konzentration, sondern eine Form reinen Bewusstsein, die sowohl auf Objekte gerichtet ist, die im Bewusstsein erscheinen, als auch auf das Subjekt, das diese Objekte wahrnimmt. Ein achtsamer, selbst-gewahrer Mensch weiß, dass er weiß und was er weiß zugleich. Deshalb ist er wach und klar. Er lebt nach dem Motto: “Bleib bei dir selbst, bei deinem Ich-Gefühl, selbst wenn störende oder betörende Objekte deinen Weg kreuzen. Auch der eigene Körper und die eigenen Gedanken und Gefühle sind Objekte im subjektiven Bewusstsein. Wer stets mit seiner Wahrnehmung beim Ich-Bewusstsein verweilt, wird bald das Gefühl haben, sich selbst bei all seinen Tätigkeiten, im Wachbewusstsein ebenso wie im Traumbewusstsein und im Tiefschlaf, zu beobachten. Der drashta= der innere Zeuge wird sichtbar. Dieser Zeuge ist jenseits von Subjekt- und Objektbewusstsein. Er ist praktisch das sehende Auge, das reine Gewahrsein, das hinter allem steht. Dieser Zeuge ermöglicht losgelöstes Erleben, denn er räumt mit der Illusion der Täterschaft auf, der Illusion, selbst der Handelnde zu sein. Und bald erlöst er einen auch von der Illusion des Besitzes, der Illusion, dass einem irgendein Objekt auf Dauer gehört, selbst nicht der eigene Körper.

SELBST.Erkenntnis ist die Einsicht in die wahre Natur, die jenseits von Ich-Bewusstsein, von Raum und Zeit liegt. Sie ist das Sehen dessen, das die Welt der Erfahrung von Subjekt und Objekt möglich macht. Von SELBST.Erkenntnis spricht man dann, wenn Bewusstsein sich selbst als Quelle und Urgrund jeglicher Erfahrung erkennt; wenn das, was sich für etwas anderes hielt, als es wirklich war, seine wahre Natur erfährt. SELBST.Erkenntnis bedeutet, die vorübergehende Auflösung des Ich-Bewusstseins im SELBST.Bewusstsein. Dieser Prozeß endet in der dauerhaften SELBST.Erkenntnis, der SELBST.Verwirklichung.

 

SELBST.Verwirklichung bedeutet das dauerhafte Verweilen im SELBST, in der wahren Natur. Das Göttliche, das reine Bewusstsein, erfährt nur sich selbst, die dualistische Aufspaltung in Subjekt und Objekt, Erfahrenden und Erfahrenes verdunkelt und verschleiert das reine Bewußtsein nicht mehr. Dies ist die Verwirklichung unseres natürlichen Zustandes der reinen Liebe, das vollständige Aufgehen des Individuellen im Universellen, des Ichs im Selbst.